Notvertretungsrecht und Pflege: Definition, Anwendung und rechtliche Grundlagen
Das Wichtigste in Kürze
- Bei einem plötzlichen Pflegefall ist die erste Maßnahme, den Pflegebedarf genau zu erfassen und zu dokumentieren.
- Entscheidend ist die Auswahl der richtigen Pflegeform, die auf die individuellen Bedürfnisse und die Lebenssituation zugeschnitten ist.
- Ein Pflegegrad hilft, finanzielle Unterstützung und Pflegeleistungen zu erhalten.
- Die Organisation der Pflege umfasst die Planung des Tagesablaufs, medizinische Versorgung und soziale Aktivitäten.
- Rechtliche Vorsorge durch Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung schützt die Interessen der Person mit Pflegebedarf.
Das neue Notvertretungsrecht ist ein wichtiges juristisches Instrument in der Gesundheitsvorsorge, wenn der Partnerin oder Partner vorübergehend nicht selbst für seine Gesundheit sorgen kann. Das Ehegattenvertretungsrecht ab 2023 gilt für akute krankheitsbedingte Situationen. Mit ihm kann im Notfall der Ehe- oder Lebenspartner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft in Gesundheitsbelangen den Partner vertreten – zum Beispiel im Fall eines Komas oder einer schweren Erkrankung wie einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Die Dauer des Notvertretungsrechts darf sechs Monate nicht überschreiten. Ist eine Verlängerung notwendig, weil die erkrankte Person weiterhin nicht selbst entscheiden kann, kommen weitere juristische Regelungen zum Zug.
- Das Notvertretungsrecht für Ehepartner ergibt sich aus § 1358 BGB.
- Das Notvertretungsrecht für Eltern in Bezug auf ihr Kind ist in § 1629 BGB geregelt.
Dieses spezielle Notvertretungsrecht betrifft beispielsweise Bereiche der medizinischen Versorgung, den Abschluss von Verträgen, den Einsatz freiheitsentziehender Maßnahmen. Zusätzlich erlaubt es, Ansprüche der betroffenen Person geltend zu machen. Es gibt jedoch auch Ausschlussgründe für das Notvertretungsrecht sowie die Möglichkeit des Widerspruchs gegen das Notvertretungsrecht. Mehr dazu erfahren Sie in folgendem Beitrag.
Was ist das Notvertretungsrecht?
Laut § 1358 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ermöglicht das Notvertretungsrecht Ehegatten und Lebenspartnern in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, in Angelegenheiten der Gesundheitssorge die gegenseitige Vertretung, wenn der Ehepartner oder Lebenspartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit entscheidungsunfähig ist.
Dies kann der Fall sein, wenn jemand einen Schlaganfall, einen Herzinfarkt oder einen Unfall erleidet, nicht ansprechbar ist und ins Krankenhaus muss. Dann sind rasch medizinische Maßnahmen zu ergreifen, denen der Patient selbst nicht zustimmen oder ablehnen kann. Folglich muss jemand den Patienten vertreten und in seinem Sinn die medizinische Versorgung in Absprache mit dem Gesundheitspersonal steuern.
Die Wünsche des Patienten oder der Patientin sind auch im Notvertretungsrecht maßgebend. Diese Vorstellungen können aus dem Inhalt einer Patientenverfügung hervorgehen. Es ist aber auch möglich, sie in einem Gespräch zwischen behandelndem Arzt und den Angehörigen oder Vertrauenspersonen des Patienten herauszufinden.
Voraussetzung für die Ausübung des Notvertretungsrechts ist, dass keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Das Notvertretungsrecht ist demzufolge eine Art Notlösung, damit der Partner Entscheidungen treffen kann.
Ratsamer ist es jedoch, für den Ernstfall eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung zu erstellen. Denn das Notvertretungsrecht gilt lediglich für sechs Monate.
Bereiche, wo Ehepartner sich im Notvertretungsgesetz gegenseitig vertreten können
In § 1358 BGB ist genau festgelegt, in welchen Angelegenheiten der Ehe- oder Lebenspartner mit eingetragener Lebensgemeinschaft im medizinischen Notfall das Recht auf Vertretung hat.
Medizinische Versorgung
Im Notfall kann der Ehepartner zusammen mit dem Arzt entscheiden, welche notwendigen Therapien, Untersuchungen oder ärztlichen Eingriffe vorzunehmen sind. Das Notvertretungsrecht gilt ebenso für Lebenspartner (mit eingetragener Lebensgemeinschaft). Es steht dem Vertreter ebenso frei, eine Therapie oder einen Eingriff abzulehnen, falls dies im Sinne des Patienten ist. Ärzte sind gegenüber dem vertretenden Ehepartner von der Schweigepflicht entbunden und sogar verpflichtet, der vertretenden Person Auskünfte zu erteilen (§ 1358 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Abschluss von Verträgen
Falls die Erkrankung den Abschluss von Verträgen, beispielsweise für medizinische Behandlungen, mit dem Krankenhaus oder für bestimmte Maßnahmen zur Rehabilitation erforderlich machen sollte, liegt dies ebenfalls in der Entscheidungsbefugnis des Ehepartners (§ 1358 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Freiheitsentziehende Maßnahmen
Manchmal kann es notwendig sein, im Rahmen einer medizinischen Behandlung oder Versorgung freiheitsentziehende Maßnahmen zu ergreifen (§§ 1358 Abs. 1 Nr. 3, 1831 BGB). Dazu zählen beispielsweise Bettgitter oder Medikamente, um den Patienten ruhigzustellen. Dies gilt sowohl für ein Krankenhaus als auch für eine Einrichtung wie ein Pflegeheim. Die Maßnahme darf allerdings nicht länger als sechs Wochen andauern. Alles, was zeitlich darüber hinaus geht, erfordert einen richterlichen Beschluss des Betreuungsgerichts.
Ansprüche geltend machen
Wenn sich Ansprüche aufgrund der Erkrankung gegenüber einer weiteren Person ergeben, darf der vertretende Ehepartner diese geltend machen. Beispielsweise könnten dies Ansprüche gegenüber einem Unfallgegner sein, die der Ehepartner stellvertretend für den Verunfallten einfordern darf (§ 1358 Abs. 1 Nr. 4 BGB).
Die Gültigkeit des Notvertretungsgesetzes
Wenn ein Ehepartner aufgrund einer schweren Erkrankung oder eines Unfalles nicht mehr selbst Entscheidungen hinsichtlich seiner medizinischen Behandlung oder Unterbringung treffen kann, tritt das Notvertretungsgesetz in Kraft. Voraussetzung ist, dass keine Vorsorgevollmacht vorliegt.
Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, in diesem Fall eine Bestätigung auszustellen, mit der der Ehepartner jederzeit von seinem Recht Gebrauch machen und seinen Partner vertreten kann.
Dies gilt, sobald der Ehepartner nicht mehr selbst entscheiden kann und Sie ihn vertreten müssen. Der Arzt muss die Geschäftsunfähigkeit des Partners schriftlich bestätigen. Hierfür hat die Bundesärztekammer ein Formular erstellt, das Ärzte als Grundlage verwenden.
Mit diesem Schriftstück bestätigt der behandelnde Arzt, dass das Ehegattenvertretungsrecht vorliegt. Es ist ab dem Ausstellungsdatum für sechs Monate gültig. Dieses Dokument sollte ab diesem Zeitpunkt immer griffbereit sein, um stets handlungsfähig zu sein und im Sinne des Patienten Entscheidungen treffen zu können.
Info: Missbrauch des Notvertretungsrechts verhindern
Der behandelnde Arzt muss ausschließen, dass keine andere Betreuungsperson das Notvertretungsrecht bereits in Anspruch genommen hat. Dies muss die vertretende Person schriftlich bestätigen. Diese Maßnahme soll den Missbrauch des Notvertretungsrechts verhindern.
Ausschlussgründe für das Notvertretungsrecht
Es gibt einige Gründe, bei denen das Notvertretungsrecht für Ehegatten nicht in Kraft tritt:
- Der Patient lehnt die Vertretung durch den Ehepartner ab: Wenn dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der erkrankte Mensch eine Betreuung durch seinen Ehepartner ablehnt, darf und muss er die Erteilung des Notvertretungrechts verweigern. Dies gilt ebenso für das Notvertretungsrecht bei Unverheirateten mit eingetragener Lebensgemeinschaft.
- Die Ehepartner leben nachweislich getrennt.
- Im Fall, dass bereits eine Vorsorgevollmacht vorliegt, in der für die gesundheitlichen Belange bereits jemand anderes, beispielsweise die Tochter oder der Sohn, als bevollmächtigte Person festgelegt ist.
- Sonderfall: Das Notvertretungsrecht im Rettungsdienst spielt eine untergeordnete Rolle, weil im Ernstfall die lebensrettenden Maßnahmen an erster Stelle stehen.
Kostenlose Pflegekurse
Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie durch unsere Pflegekurse die nötigen Fähigkeiten erlangen, um Ihre Liebsten optimal zu Hause zu betreuen.
Möglicher Widerspruch gegen Notvertretungsrecht
Für den Fall, dass Ehepaare keine gegenseitige Notvertretung wünschen, ist ein Widerspruch zum Paragraf 1358 BGB möglich. Um sicherzustellen, dass die behandelnden Ärzte über den Widerspruch informiert sind, ist eine Hinterlegung des Dokuments beim Zentralen Vorsorgeregister ratsam. Dabei fällt lediglich eine kleine Bearbeitungsgebühr an.
Auf das Vorsorgeregister haben alle Ärzte Zugriff und sollten im Ernstfall prüfen, ob sich dort entsprechendes Dokument befindet.
Darüber hinaus ist anzumerken, dass das Notvertretungsgesetz nur eine Notlösung darstellt. Es kann eine gut durchdachte Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht nicht ersetzen. Es dient lediglich dazu, eine Lücke im Gesetz zu schließen und im Notfall den Ehepartner vorübergehend zu bevollmächtigen, wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die medizinische Versorgung für den Patienten zu treffen.
ClaraVital empfiehlt: Gehen Sie das Thema Gesundheitssorge jetzt an und treffen Sie die entsprechenden Vorkehrungen.
Ist trotz Notvertretungsrecht eine Vorsorgevollmacht notwendig?
Ja, eine Vorsorgevollmacht ist unbedingt notwendig. Denn durch das Notvertretungsrecht sind die Versorgung und Vorsorge nicht vollumfänglich geregelt. Daneben sind weiterhin Patientenverfügung, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht sinnvoll. Das Notvertretungsrecht bezieht sich für Eheleute und Lebenspartner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft nur auf Angelegenheiten, welche die Gesundheitsversorgung betreffen. Dinge wie beispielsweise Bankgeschäfte, Behördengänge oder Versicherungsangelegenheiten sind darin nicht eingeschlossen. Diese Themenbereiche regelt auch zukünftig eine Vorsorgevollmacht.
Außerdem gilt das Notvertretungsrecht nur für maximal sechs Monate. Sollte nach dem Ablauf dieser Frist die Person noch nicht wieder eigene Entscheidungen treffen können und keine Vollmacht vorliegen, muss das Gericht eine Betreuungsperson bestellen.
Fazit
Das Notvertretungsrecht regelt die gegenseitige Vertretung von Ehe oder eingetragenen Lebensparntern im Fall, dass er dies nicht selbst tun kann. Es ist jedoch nur eine Notlösung, da es nicht alle relevanten Bereiche, wie zum Beispiel Bankgeschäfte, abdeckt.
Es ist auf alle Fälle ratsam, dass Sie sich rechtzeitig mit einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht absichern. So ist im Ernstfall alles Notwendige geregelt und die Notlösung des Notvertretungsrechts ist nicht erforderlich.
Häufig gestellte Fragen zum Thema Notvertretungsrecht
Das Notvertretungsrecht, § 1358 BGB, erlaubt Eheleuten und Lebenspartnern in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, sich in Angelegenheiten der Gesundheitsversorgung gegenseitig zu vertreten, wenn der Ehe- oder Lebenspartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht entscheidungsfähig ist.
Das Notvertretungsrecht hat für sechs Monate Gültigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass keine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung vorliegt.
Das Notvertretungsrecht deckt im Wesentlichen vier Bereiche ab: Die medizinische Versorgung, Abschließen der Verträge, Freiheitsentziehende Maßnahmen, Ansprüche geltend machen.
Nein, nach Ablauf der sechs Monate und einer weiterhin notwendigen Betreuung schaltet sich das Betreuungsgericht ein, um einen gesetzlichen Betreuer zu bestimmen.
- Bundesministerium der Justiz: Ehegattennotvertretung
- BGB § 1358 - Vertretung des anderen Ehegatten bei Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs
- BGB § 1629 - Vertretung des Kindes
- BGB § 1831 - Entschädigung des Vormunds
- Bundesärztekammer: Muster-Formulare
- Haufe: Muster 214 - Widerspruch zum Ehegattenvertretungsrecht im Ehevertrag
- Zentrales Vorsorgeregister: Informationen für Ärzte