Plötzlicher Pflegefall - Was ist jetzt zu tun?
Das Wichtigste in Kürze
- Bei einem plötzlichen Pflegefall ist die erste Maßnahme, den Pflegebedarf genau zu erfassen und zu dokumentieren.
- Entscheidend ist die Auswahl der richtigen Pflegeform, die auf die individuellen Bedürfnisse und die Lebenssituation zugeschnitten ist.
- Ein Pflegegrad hilft, finanzielle Unterstützung und Pflegeleistungen zu erhalten.
- Die Organisation der Pflege umfasst die Planung des Tagesablaufs, medizinische Versorgung und soziale Aktivitäten.
- Rechtliche Vorsorge durch Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung schützt die Interessen der Person mit Pflegebedarf.
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Liebe Leserin, lieber Leser,
was geschieht, wenn Sie oder ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig werden? Diese unerwartete Situation stellt Personen mit Pflegebedarf und Pflegende gleichermaßen vor große Herausforderungen. In diesem Ratgeber erhalten Sie relevante Informationen von der Identifizierung des Pflegebedarfs bis zur Organisation und Finanzierung der Pflege. Unser Ziel ist es, Ihnen Orientierung zu geben und Ihre Fragen zu beantworten.
Was bedeutet „Pflegefall“?
Ein Pflegefall tritt ein, wenn eine Person in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt ist und tägliche Hilfe benötigt. Diese Situation kann plötzlich auftreten durch einen Unfall, eine akute Erkrankung, einen Herz- oder Schlaganfall oder sich allmählich entwickeln, wie bei chronischen Krankheiten oder ggf. im Zuge des Alterns.
In diesem Fall hat eine Person eine Pflegebedürftigkeit und ist für gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Alltag auf Unterstützung angewiesen ist. Dies umfasst Unterstützung bei grundlegenden Aktivitäten wie Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.
In Deutschland gibt es aktuell rund 5 Millionen Menschen, die pflegebedürftig sind. Die Mehrheit davon wird zu Hause betreut, entweder durch An- und Zugehörige oder durch ambulante Pflegedienste. Die häusliche Pflege hat eine hohe Bedeutung und die Pflegenden übernehmen eine Rolle in der Gesellschaft.
Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu sein." - Statistisches Bundesamt
Einen plötzlichen Pflegefall Schritt für Schritt regeln
Bei einem plötzlichen Pflegefall sollten Sie die folgenden Schritte beachten:
Diese Schritte bilden die Grundlage für die Bewältigung der neuen Situation und gewährleisten, dass die betreffenden Personen bestmöglich unterstützt werden. In unserem Ratgeber erklären wir Ihnen die einzelnen Schritte.
Pflegebedarf erkennen: Der erste entscheidende Schritt
Die Erfassung des Pflegebedarfs ist der erste Schritt, um Unterstützung für eine Person mit Pflegebedarf zu organisieren. Dieser Prozess umfasst die genaue Beobachtung und Dokumentation der täglichen Hilfe, die eine Person benötigt. Es ist wichtig, auf Veränderungen in der Mobilität, den kognitiven Fähigkeiten und der Fähigkeit zur Verrichtung alltäglicher Aufgaben zu achten.
Ein relevantes Instrument in dieser Phase ist das Pflegetagebuch. In diesem dokumentieren Sie über einen bestimmten Zeitraum hinweg detailliert, welche Unterstützung im Alltag benötigt wird. Das umfasst Hilfe bei der Körperpflege, Ernährung, Mobilität, aber auch Unterstützung bei der Kommunikation oder Orientierung.
Neben dem Pflegetagebuch ist der Pflegegrad-Rechner ein hilfreiches Online-Tool, um eine erste Einschätzung des Pflegebedarfs zu erhalten. Durch die Beantwortung spezifischer Fragen zur Situation der Person mit Pflegebedarf kann abgeschätzt werden, ob und welcher Pflegegrad vorliegen könnte. Diese erste Einschätzung ist besonders wertvoll, um den weiteren Prozess zur Antragstellung eines Pflegegrades vorzubereiten und zu wissen, welche Art von Unterstützung infrage kommt.
Der zweite Schritt: Die passende Pflegeform finden
Nach der Identifizierung des Pflegebedarfs steht die Auswahl der geeigneten Pflegeform an. Diese Entscheidung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: der Grad der Pflegebedürftigkeit, den persönlichen Wünschen der Person mit Pflegebedarf und inwiefern pflegende An- und Zugehörige, Familie, Beruf und Pflege vereinbaren können.
Es gibt verschiedene Pflegeformen, die Sie entsprechend Ihrer Situation in Betracht ziehen können:
- Pflege durch Angehörige: Viele Familien entscheiden sich dafür, die Pflege selbst zu übernehmen.
- Ambulante Pflege: Hierbei kommt ein Pflegedienst ins Haus, um die Person mit Pflegebedarf zu unterstützen. Diese Form eignet sich besonders, wenn die Pflege teilweise von Angehörigen übernommen werden kann, aber zusätzliche professionelle Hilfe benötigt wird.
- Teilstationäre Pflege: Dies umfasst Angebote wie Tages- oder Nachtpflege, bei denen die pflegebedürftige Person tagsüber oder nachts professionell betreut wird, aber weiterhin zu Hause wohnt. Diese Form bietet eine gute Möglichkeit, Pflege und Berufstätigkeit der Angehörigen zu vereinbaren.
- Vollstationäre Pflege: Bei hoher Pflegebedürftigkeit kann ein Umzug in ein Pflegeheim die beste Option sein. Hier erhalten Sie rund um die Uhr Betreuung und Pflege.
- Service oder betreutes Wohnen: Diese Form bietet älteren Menschen, die noch relativ selbstständig sind, aber Unterstützung im Alltag wünschen, eine Kombination aus eigenem Wohnraum und verfügbarer Pflege nach Bedarf.
Pflegegrad beantragen als dritter Schritt
Wenn die Erfassung des Pflegebedarfs ergibt, dass eine Pflegebedürftigkeit besteht, ist die Beantragung eines Pflegegrads eine weitere Option. Der Pflegegrad bestimmt, welche Leistungen aus der Pflegeversicherung Ihnen zustehen.
Die Beantragung eines Pflegegrads
Antragstellung
Der erste Schritt ist die formlose Antragstellung bei der Pflegekasse, die bei der Krankenversicherung der pflegebedürftigen Person angesiedelt ist. Der Antrag kann telefonisch, schriftlich oder in einigen Fällen auch online eingereicht werden. Wichtig ist, dass der Antrag so detailliert wie möglich ausgefüllt wird, um den Pflegebedarf korrekt zu kommunizieren.
Begutachtung
Nachdem der Antrag eingegangen ist, beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst oder bei privat Versicherten Medicproof, mit der Begutachtung. Ein Termin wird vereinbart, bei dem ein Gutachter die Person mit Pflegebedarf zu Hause besucht. Ziel dieses Besuches ist es, den Pflegebedarf anhand eines standardisierten Verfahrens zu ermitteln. In Vorbereitung auf die Begutachtung ist es hilfreich, ein Pflegetagebuch zu führen und den täglichen Unterstützungsbedarf zu dokumentieren. Zudem sollten alle relevanten medizinischen Unterlagen und Informationen über bisherige Pflegemaßnahmen bereitgehalten werden.
Bescheid der Pflegekasse
Anhand des Gutachtens entscheidet die Pflegekasse über den Pflegegrad und somit über die Höhe der Leistungen, die der Person mit Pflegebedarf zustehen. Dieser Bescheid wird schriftlich zugestellt. Bei Nichtzustimmung mit der Entscheidung kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.
Ratgeber: Pflegegrade
Erfahren Sie mehr darüber, wie Pflegegrade bestimmt werden und welche Unterstützungsleistungen Ihnen zustehen können.
Vierter Schritt: Pflege organisieren
Nachdem der Pflegebedarf erfasst, die passende Pflegeform gewählt und der Pflegegrad erfolgreich beantragt wurde, folgt die Organisation der täglichen Pflege.
Die Organisation der Pflege sollte mit der Festlegung eines Pflegeplans beginnen, der auf Ihren individuellen Bedürfnissen und der Lebenssituation der basiert. Ein solcher Plan umfasst:
- Tägliche Routine: Festlegung fester Zeiten für Körperpflege, Mahlzeiten, Medikamenteneinnahme und Ruhepausen. Eine klare Struktur hilft, den Tag vorhersehbar und angenehm zu gestalten.
- Medizinische Versorgung: Organisation regelmäßiger Arztbesuche und Sicherstellung der Medikamentenversorgung. Hierbei sollte auch überlegt werden, welche medizinischen Hilfsmittel benötigt werden.
- Soziale Aktivitäten: Integration sozialer Kontakte und Aktivitäten in den Alltag, um Isolation vorzubeugen und die Lebensqualität zu erhalten.
- Pflegedienste: Einbindung professioneller Pflegedienste für spezielle Pflegeaufgaben oder zur Entlastung der pflegenden Angehörigen.
- Notfallplan: Erstellung eines Notfallplans für unvorhergesehene Situationen, inklusive wichtiger Kontaktnummern und Informationen zu Medikationen.
Ein Pflegetag könnte folgendermaßen aussehen:
Morgens: Unterstützung bei der Körperpflege, Ankleiden und Frühstück durch einen pflegenden Angehörigen.
Vormittags: Leichte Bewegungsübungen, medizinische Versorgung oder Besuch eines Tagespflegezentrums zur Entlastung der Pflegenden.
Mittags: Zubereitung und Einnahme des Mittagessens, gefolgt von einer Ruhepause.
Nachmittags: Soziale Aktivitäten, wie Besuche von Freunden oder Teilnahme an Gruppenaktivitäten.
Abends: Abendessen, Vorbereitung auf die Nacht und Medikamenteneinnahme.
Die Organisation der Pflege ist ein dynamischer Prozess, der regelmäßig überprüft und an Veränderungen in der Gesundheit oder den Bedürfnissen der pflegebedürftigen Person angepasst werden muss.
Fünfter Schritt: Möglichkeiten zur Finanzierung der Pflege
Verschiedene Quellen können zur Finanzierung beitragen, um die notwendige Unterstützung und den Lebensunterhalt zu sichern.
Pflegefinanzierung durch die Pflegekasse:
Nach Feststellung eines Pflegegrades durch die Pflegekasse stehen Ihnen verschiedene Leistungen zu. Diese umfassen Pflegegeld, Pflegehilfsmittel, Pflegesachleistungen für professionelle Pflegedienste, Zuschüsse für pflegebedingte Umbaumaßnahmen im Wohnraum und weitere Unterstützungsangebote. Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem zugewiesenen Pflegegrad und soll dazu beitragen, die Pflege zu Hause oder in einer Einrichtung zu finanzieren. Die Grundlagen für Leistungen der Pflegekasse finden Sie im SGB XI.
Finanzierung durch die Krankenkasse:
Nicht in allen Fällen erhalten Sie einen Pflegegrad, trotzdem stehen Ihnen Leistungen der Krankenversicherung für medizinische Behandlungspflege zu. Dazu gehören beispielsweise die Wundversorgung, Injektionen oder die Verabreichung von Medikamenten. Ebenso erhalten Sie Krankentransporte oder Hilfsmittel für die Pflege. Die Grundlagen sind im SGB V festgelegt.
Finanzierung durch die Sozialhilfe:
Sollten die Leistungen der Pflege- bzw. Krankenkasse nicht ausreichen, um die Kosten der Pflege zu decken, kann Sozialhilfe nach dem zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) in Anspruch genommen werden. Die Hilfe zur Pflege durch das Sozialamt tritt ein, wenn das Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Person nicht ausreichen. Sie deckt die Differenz zwischen den tatsächlichen Pflegekosten und den Leistungen der Pflegekasse.
Finanzierung durch Kinder und Elternunterhalt:
Unter Umständen sind die Kinder für die Pflege ihrer Eltern mitverantwortlich, vor allem wenn deren Vermögen nicht für die Pflegekosten ausreichen. Bis zum Jahr 2020 waren Kinder von Pflegebedürftigen unter bestimmten Umständen verpflichtet, für die Pflegekosten ihrer Eltern aufzukommen. Mit der Reform des Angehörigen-Entlastungsgesetzes müssen Kinder für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen, wenn ihr jährliches Bruttoeinkommen 100.000 Euro übersteigt.
Rechtliche Vorsorge als sechster Schritt
Die rechtliche Vorsorge ist ein wesentlicher Bestandteil der Pflegeplanung. Sie sichert Ihre Wünsche und Rechte, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Wichtige Instrumente sind die Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung.
Mit einer Vorsorgevollmacht ermächtigen Sie eine Vertrauensperson, in allen oder bestimmten Bereichen Entscheidungen für Sie zu treffen. Die Betreuungsverfügung legt fest, wer im Falle einer gerichtlichen Betreuung diese übernehmen soll. Die Patientenverfügung gibt Anweisungen für Ihre medizinischen Behandlungen in einem Krankenhaus.
Bewältigung eines plötzlichen Pflegefalls
Ein plötzlicher Pflegefall erfordert schnelles Handeln und Planung. Wichtig sind die Erfassung des Pflegebedarfs, die Auswahl der Pflegeform, die mögliche Beantragung eines Pflegegrads, die Organisation der Pflege und Klärung der Finanzierung sowie die rechtliche Vorsorge. Diese Schritte bieten Pflegepersonen und Personen mit Pflegebedarf, Orientierung und Sicherheit in dieser Zeit.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Plötzlicher Pflegefall
Ein Pflegefall kann nach einem schweren Unfall, einer Erkrankung, einem Herz- oder Schlaganfall oder einer Demenzerkrankung eintreten. Aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung ist der Alltag nicht mehr selbständig durchzuführen.
Zuerst sollten Sie den Pflegebedarf der betroffenen Person ermitteln. Danach ist es wichtig, einen Pflegegrad bei der Pflegekasse zu beantragen und die geeignete Pflegeform auszuwählen.
Die Pflegekasse zahlt Pflegegeld, Pflegesachleistungen und weitere Leistungen je nach Pflegegrad. Zusätzliche Kosten können durch Sozialhilfe, Krankenkasse oder private Mittel finanziert werden.
Die Pflegeversicherung übernimmt je nach Pflegegrad einen Teil der Kosten. Sollten die Kosten nicht gedeckt sein, kann Sozialhilfe in Anspruch genommen werden. Kinder müssen für die Pflege ihrer Eltern erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Euro aufkommen.
Es sollte geprüft werden, ob ambulante Pflegedienste oder eine Unterbringung in einer betreuten Wohnform oder einem Pflegeheim die beste Lösung ist.
- SGB XI § 14 - Begriff der Pflegebedürftigkeit
- Bundesgesundheitsministerium: Pflegefall
- Statistisches Bundesamt: Pflegestatistik 2022
- SoVD-Pflegetagebuch (barrierefrei)
- SoVD: Pflegegradrechner und Widerspruchstool
- Bundesgesundheitsministerium: Online-Ratgeber Pflege - Pflegebedürftig, was nun?
- Bundesgesundheitsministerium: Pflege zu Hause
- SGB XI - Soziale Pflegeversicherung
- SGB V - Gesetzliche Krankenversicherung
- SGB XII - Sozialhilfe
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Leistungen der Sozialhilfe
- Bundesministerium der Justiz: Elternunterhalt
- Verbraucherzentrale: Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung - Warum sie so wichtig sind
- Caritas: Häufig gestellte Fragen zur rechtlichen Betreuung